„Oz – direkt hinter Reutlingen“: Theaterabend mit Tiefgang und Abschied

„Oz – direkt hin­ter Reut­lin­gen“: Thea­ter­abend mit Tief­gang und Abschied

Am 16. Juli 2025 wur­de die Aula des Albert-Ein­stein-Gym­na­si­ums Reut­lin­gen zur Büh­ne für eine mär­chen­haf­te Par­al­lel­welt – und zur Pro­jek­ti­ons­flä­che für eini­ge der drän­gends­ten Fra­gen unse­rer Zeit. Unter der Lei­tung von Nena Kel­ler, die das Stück „Oz – direkt hin­ter Reut­lin­gen“ selbst ver­fasst hat, zeig­te die Thea­ter-AG eine Insze­nie­rung, die nicht nur unter­hielt, son­dern tief berühr­te und zum Nach­den­ken anregte.

Schon der Auf­takt ver­sprach Beson­de­res: Ein Gei­gen­so­lo von Hele­ne Bast stimm­te das Publi­kum mit zar­ten, melan­cho­li­schen Klän­gen auf die bevor­ste­hen­de Rei­se ein – eine Rei­se durch eine fan­tas­ti­sche Welt, die auf Moti­ven aus Wicked und Der Zau­be­rer von Oz basier­te, aber kon­se­quent aktu­el­le gesell­schaft­li­che The­men verhandelte.

Zwi­schen Wind­ma­schi­nen und Wahrheitssuche

Die Insze­nie­rung erschuf eine Welt, in der grü­ne Mäd­chen, spre­chen­de Hüh­ner, eine Blech­frau und ein Ele­fant in der Para­de der gefes­sel­ten Tie­re nicht nur Kos­tüm­kunst auf hohem Niveau zeig­ten, son­dern auch sym­bo­lisch für unter­schied­li­che gesell­schaft­li­che The­men stan­den. Ein beson­de­rer Kniff war auch die Dar­stel­lung des Win­des als Zeit­ma­schi­ne – ein Ele­ment, das gleich­sam für Bewe­gung, Wan­del und Ori­en­tie­rungs­lo­sig­keit stand.

Doch es war nicht nur die krea­ti­ve Aus­stat­tung, die das Publi­kum fes­sel­te. Die schau­spie­le­ri­sche Leis­tung der Darsteller*innen, allen vor­an die Mimik des Löwen, der sei­ne Emo­tio­nen so ein­dring­lich zeig­te, dass man jede sei­ner Ängs­te und Hoff­nun­gen spür­te, ver­lie­hen dem Stück Tie­fe. Auch in einer Schlüs­sel­sze­ne wur­de das Bild des ängst­li­chen Löwen auf­ge­grif­fen: „Eine Maus im Kör­per eines Löwen, sie wür­de ihr Leben lang ver­su­chen, vor sich selbst weg­zu­lau­fen.“ – ein bewe­gen­der Moment über Tran­si­den­ti­tät und den inne­ren Kampf um Selbstakzeptanz.

Gesell­schafts­kri­tik im Zaubermantel

Das Stück scheu­te kei­ne aktu­el­len The­men: Die Fol­gen von Mob­bing und Ras­sis­mus wur­den eben­so deut­lich ange­spro­chen wie der Kli­ma­wan­del („Kli­ma­ver­än­de­rung haut­nah, das muss ich sofort fil­men.“) und Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen. Beson­ders pro­vo­kant war die Sze­ne zur The­ma­tik von Grenz­schlie­ßun­gen, als es iro­nisch hieß: „Gren­zen schlie­ßen, kei­ne Men­schen rein­las­sen, Remi­gra­ti­on – wir soll­ten in die Poli­tik gehen.“ Die­se kla­re Hal­tung gegen Aus­gren­zung und für Mensch­lich­keit wur­de nicht plump prä­sen­tiert, son­dern klug in die mär­chen­haf­te Welt eingebettet.

Musi­ka­li­sche Viel­falt trifft emo­tio­na­le Tiefe

Die musi­ka­li­schen Ele­men­te und Tanz­ein­la­gen mach­ten den Abend beson­ders leben­dig. Der Unter­stu­fen­chor ergänz­te das Thea­ter­stück als Co-Pro­duk­ti­on auf per­fek­te Wei­se. Beim Auf­tritt mit „Major Tom“, nach­dem die gestress­te Doro vom Tor­na­do in den Him­mel geris­sen wur­de, ver­spra­chen die Zei­len „Jeder ist im Stress, doch Major Tom schwebt …schwe­re­los“ einen Plot Twist und Ent­span­nung in all dem Alltagsstress.

Auch der Abschied aus Oz wur­de musi­ka­lisch gestal­tet, mit der gefühl­vol­len Ver­si­on von „Miss me when I’m gone“. Die­ses Lied mar­kier­te nicht nur das Ende der fik­ti­ven Rei­se, son­dern auch einen sehr rea­len Abschied: Nena Kel­ler lei­te­te nach fünf krea­ti­ven, bewe­gen­den und erfolg­rei­chen Jah­ren zum letz­ten Mal eine Pro­duk­ti­on. Der Applaus für das Ensem­ble galt an die­sem Abend ganz beson­ders auch ihr.

Ein Regen­bo­gen als Schlussakkord

Als die Zuschauer*innen das Schul­ge­bäu­de ver­lie­ßen, wur­den sie von einem rie­si­gen Regen­bo­gen über dem AEG emp­fan­gen – als hät­te auch der Him­mel ver­stan­den, wor­um es an die­sem Abend ging. Viel­leicht war das der schöns­te Abschluss für ein Stück, das frag­te: „Gut oder böse, schwarz oder weiß – wer ent­schei­det das denn?“ Die Bot­schaft: Benutzt euren gesun­den Men­schen­ver­stand. Geht respekt­voll mit­ein­an­der um.

Ein Abend, der nicht nur beein­druck­te, son­dern Spu­ren hin­ter­ließ. Viel­leicht gelingt es uns allen, etwas weni­ger Stress zuzu­las­sen – und ab und zu davon zu träu­men, mit dem Skate­board über den Regen­bo­gen zu fahren.

Daph­ne Freygang