„Der Schüleraustausch“ diskutiert aktuell wichtige Fragen – Applaus für eine unterhaltsame Co-Produktion am Zahn der Zeit

„Der Schü­ler­aus­tausch“ dis­ku­tiert aktu­ell wich­ti­ge Fra­gen – Applaus für eine unter­halt­sa­me Co-Pro­duk­ti­on am Zahn der Zeit

Nach der Vor­pre­mie­re ein­zel­ner Sze­nen bei der dies­jäh­ri­gen AEG Gala war es am 3. Juli 2024 end­lich soweit. Die Thea­ter AG des AEG Reut­lin­gen prä­sen­tier­te in Co-Pro­duk­ti­on mit dem Unter­stu­fen­chor ihr Stück „Der Schü­ler­aus­tausch“. Wie im letz­ten Jahr hat Nena Kel­ler (Lei­tung Thea­ter AG) das Stück gemein­sam mit den Schüler*innen aus­ge­hend von Impro­vi­sa­ti­ons­übun­gen und  Lied­ideen von Vere­na Kim­mel-Rein­ecker (Lei­tung Unter­stu­fen­chor) selbst geschrieben.

Der Anfang plät­schert seicht dahin, eine deut­sche Aus­tausch­grup­pe befin­det sich auf dem Weg zum Schü­ler­aus­tausch in die USA, im Vor­der­grund schei­nen Fra­gen nach Mas­ca­ra und Ham­bur­gern zu ste­hen, anfäng­li­che Sprach­bar­rie­ren („Aä. Yes?“) brin­gen das Publi­kum zum Lachen und erzie­len den gewünsch­ten Effekt. Man fin­det sich wie­der in die­sem Stück. Schnell wird jedoch klar: hier schei­nen ganz unter­schied­li­che Grup­pen von Men­schen – die coo­len Sportler*innen, die Nerds und die Tus­sies – auf­ein­an­der­zu­tref­fen. Es gibt Rei­bun­gen und Inter­es­sens­kon­flik­te. Gezwun­gen, sur­fen zu ler­nen, geht ein Schü­ler in den Wel­len unter und fin­det sich in einer Unter­was­ser­welt wie­der, in der er lernt, wie von Men­schen ver­ur­sach­te Umwelt­ver­schmut­zung die­se lang­sam zer­stört. Die Sor­ge um ihn ver­eint die Grup­pen, es kommt zum „Show­down“ als der Schü­ler wie­der auf­taucht. Anstel­le Bas­ket­ball zu spie­len soll die Welt ver­bes­sert wer­den, ein Pro­jekt zur Rei­ni­gung der Ozea­ne steht im Raum, doch der Ideen­ge­ber wird belä­chelt, gehän­selt, aus­ge­grenzt. Die ent­schei­den­de Wen­dung brin­gen aus­ge­rech­net die sozia­len Medi­en, über die die Schüler*innen Infor­ma­tio­nen erhal­ten: Städ­te sind über­flu­tet, Strän­de zer­stört, Wale grei­fen Men­schen an. Rächt sich der Oze­an? Mit Schreck wird fest­ge­stellt, dass das alle etwas angeht. Doch das Stück endet nicht mit einer Lösung. Das Stück endet mit der Erkennt­nis, dass Diver­si­tät wich­tig ist, dass es eine gemein­sa­me Ver­ant­wor­tung gibt, dass jedes Indi­vi­du­um zu Bes­se­rung bei­tra­gen kann. Dass auch die Zuschauer*innen Teil des Gan­zen sind.

Die­ser Appell steht am Ende eines dra­ma­tur­gisch klas­se auf­ge­bau­ten Thea­ter­abends. Der Span­nungs­ver­lauf bleibt stets anstei­gend, es gibt kei­ne Auf­lö­sung, was bleibt sind der dra­ma­ti­sche Höhe­punkt und die Fra­ge, ob wir Men­schen alle gemein­sam Demo­kra­tie, Umwelt und Viel­falt ret­ten kön­nen. Das Büh­nen­bild und die Kos­tü­me ver­an­schau­li­chen die wich­tigs­ten Aus­sa­gen wun­der­bar. Sieht man zu Beginn farb­lich (pink, blau, grün) von­ein­an­der getrenn­te Grup­pen, so mischen sich die­se mehr und mehr, bis am Ende eine ech­te, bun­te Gemein­schaft aus ihnen gewor­den ist. Unter Was­ser stellt ein rie­si­ger Tin­ten­fisch die dunk­le Bedro­hung dar, die mit lan­gen Ten­ta­keln auf alles über­greif und es reg­net Plas­tik­schnip­sel, an denen eine Schild­krö­te fast stirbt. Tol­le Gesangs- und Tanz­ein­la­gen zwi­schen­durch ver­deut­li­chen die Dring­lich­keit („We’ll find out what we’re made of and help our fri­ends in need.“ / We go tog­e­ther!) sowie die emo­tio­na­le Lage. Hans wird mit „Hit the Road, Jack“ geär­gert, sei­ne Gefüh­le spie­geln sich in „Ist da jemand“ wider. Auch schau­spie­le­risch über­zeu­gen die Schüler*innen der Klas­sen 5 bis 11, man nimmt ihnen ab, was sie prä­sen­tie­ren, genau die­ser Mimik und Ges­tik könn­te man tag­täg­lich in der Schu­le begegnen.

Trotz der Schwe­re der The­ma­tik gelingt es der Thea­ter AG und dem Unter­stu­fen­chor, einen leich­ten und unbe­schwer­li­chen Abend zu gestal­ten. Das gesam­te Set­ting lässt Raum für Spaß, Cheer­lea­ding und „Surfin’USA“. Es wird somit umso deut­li­cher: Die gro­ßen Fra­gen unse­rer Zeit sind aus kei­nem All­tag weg­zu­den­ken. Trotz aller glo­ba­len Unter­schie­de müs­sen wir Men­schen das sehen, was uns ver­bin­det, Diver­si­tät mit Akzep­tanz begeg­nen und Pro­ble­me durch Zusam­men­ar­beit lösen.

Dan­ke für einen wie­der ein­mal sehr gelun­ge­ne Spa­gat zwi­schen unter­halt­sa­mem Schul­thea­ter und Gesell­schafts­kri­tik. Man darf sich auf die nächs­te Auf­füh­rung im kom­men­den Schul­jahr freuen.

Daph­ne Freygang